Rütteln am Gebietsschutz für Apotheken
„Die in Österreich bei der Neuerrichtung von Apotheken angewandten demografischen Kriterien sind nicht mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar“, heißt es in dem Urteil zum Punkt Konzessionsvergabe für neue Apotheken. Konkret geht es dabei um die Regelung, wonach ein Bedarf für eine neue Apotheke dann nicht besteht, wenn sich wegen der neuen Apotheke die Zahl der Personen, die von einer der bestehenden Apotheken zu versorgen sind, auf unter 5.500 sinken würde.
Der EuGH erklärt dazu, dass die Niederlassungsfreiheit einer Regelung entgegensteht, die es den zuständigen Behörden nicht erlaubt, örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen und damit von der starren Zahl der weiterhin zu versorgenden Personen abzuweichen.
Präzedenzfall in Oberösterreich
Anlassfall war eine Klage einer Österreicherin, die im oberösterreichischen Pinsdorf eine öffentliche Apotheke eröffnen wollte. Dieses Ansuchen war mit der Begründung abgelehnt worden, dass im Gebiet dieser Gemeinde kein Bedarf bestehe. Einem Gutachten der österreichischen Apothekerkammer zufolge hätte die Errichtung einer Apotheke in Pinsdorf bewirkt, dass das Versorgungspotenzial der benachbarten Apotheke in der Gemeinde Altmünster deutlich unter die 5.500-Personen-Grenze gesunken wäre.
Der EuGH erklärte ferner, dass bei der Anwendung des Kriteriums der Zahlen der weiterhin zu versorgenden Personen die Gefahr bestehe, dass in Österreich für bestimmte Personen – vor allem für Menschen mit eingeschränkter Mobilität – die in ländlichen und abgelegenen Regionen außerhalb der Versorgungsgebiete bestehender Apotheken wohnen, kein gleicher und angemessener Zugang zu Apothekendienstleistungen sichergestellt sei.
Die österreichische Regelung verstoße dadurch, dass sie es den „zuständigen nationalen Behörden nicht erlaube, von dieser starren Grenze abzuweichen, um örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen, gegen das unionsrechtliche Gebot, dass das angestrebte Ziel in kohärenter Weise zu verfolgen ist“.
Apothekerkammer mit eigener Interpretation
Von der Apothekerkammer hieß es in einer Reaktion auf das EuGH-Urteil, man interpretiere dieses so, dass „die österreichische Bedarfsregelung des § 10 Apothekengesetzes grundsätzlich weiterhin zulässig“ sei. Die nationalen Bestimmungen müssten allerdings „dem unionsrechtlichen Gebot angepasst werden, d. h. örtliche Besonderheiten sind stärker miteinzubeziehen“.
Das österreichische Modell der Bedarfsregelung sei „ein Erfolgsmodell und hat sich seit Jahrzehnten bewährt“. Der Fortbestand des Bedarfsregelung sei „im Hinblick auf die gute, flächendeckende Versorgung der Österreicherinnen und Österreicher mit Arzneimitteln und Gesundheitsdienstleistungen erforderlich und sinnvoll“.